Der Hund, ein Lebewesen

Sie sind keine Roboter. Hunde haben ein (Selbst-)Bewusstsein und haben eigene Bedürfnisse, Emotionen und Wünsche. Leider nimmt der Mensch diese oft nicht wahr und erwartet dass der Hund seine Bedürfnisse, Emotionen und Wünsche zu jeder Zeit und in jeder Situation den Bedürfnissen seines Menschen, am besten mit Freude und unverzüglich, unterzuordnen hat. Als Motivation sollte die Liebe zu seinem Menschen oder die „Rudelstellung“ ausreichen. Wenn man solch eine Einstellung Hunden gegenüber hat, sollte man sich überlegen, sich einen Roboter zu kaufen.

 

Verhalten eines Hundes kann nicht einfach auf Knopfdruck abgeschaltet werden, wie es von vielen Menschen erwartet wird. Grundlage jeder Verhaltensmodellierung ist Training und zuvor zu erkennen weshalb ein Hund ein bestimmtes Verhalten zeigt. Die Motivation und die Gefühle, die zu einem gezeigten Verhalten führen, zu erkennen, ist unabdingbar für eine erfolgreiche, langfristig anhaltende Verhaltensänderung.

Beispiel: Das Ziehen an der Leine

Es ist ein gutes Bespiel, um zu zeigen wie wichtig es ist, die Motivation, die Bedürfnisse und Gefühle des Hundes zu kennen um das Verhalten umlenken zu können. Es zeigt auch weshalb der meist stoisch angewandte Leinenruck oder das Strafen eines Hundes keinen dauerhaften Erfolg haben KANN. Weshalb manch ein Hundehalter trotzdem verbohrt daran festhält und sich kein Alternativverhalten aneignen kann (was vom Hund jedoch ganz selbstverständlich erwartet wird), ist mir rätselhaft. Führt ein Weg nicht zu dauerhaften Erfolg, ändert jedes Lebewesen seine Lösungsart und versucht es auf andere Weise. Nicht so der Alphahundehalter….

Hier einige mögliche Gründe für das Ziehen an der Leine.

Der Hund:

  • hat nie gelernt an der Leine zu laufen
  • Druck erzeugt Gegendruck bzw. Zug erzeugt Gegenzug
  • ist zu sehr durch Außenreize abgelenkt
  • möchte schneller oder langsamer gehen als Sie
  • hat zu wenig Möglichkeiten sich zu bewegen
  • möchte eine bestimmte Stelle inspizieren
  • hat nicht ausreichend Zeit sich mit Außenreizen auseinander zu setzen
  • hat Stress im Alltag oder auf dem Spaziergang
  • hat Angst

Wenn man sich jetzt die vielen verschiedenen Möglichen Gründe für das Ziehen an der Leine ansieht und durch den Kopf gehen lässt, wird bewusst, dass mit Strafen kein langfristiger Erfolg zu erwarten ist. Strafen wird es sich bei z. Bsp. Angst oder Stress sogar kontraproduktiv auswirken. Wenn der Hund nie gelernt hat an der Leine zu laufen, wird er unter Umständen Meideverhalten beim Anblick der Leine zeigen. Wenn man den Bedürfnissen eines Hundes nicht nachkommt, ist es unfair und unmenschlich, Strafe als Verhaltensformung zu verwenden. Alle, und ich meine wirklich alle, Verhaltensweisen sind durch positive Verstärkung, durch Bedürfnisbefriedigung und durch Management beeinflussbar.

Training, Training, Training

Es brauch Zeit und Training um einem Hund etwas zuverlässig beizubringen, Emotionen zu ändern oder Alternativverhalten zu etablieren. Um das Gelernte umsetzen zu können, obwohl die eigenen Bedürfnisse und Wünsche gerade andere sind, bedarf es wiederkehrender Wiederholungen, Training und einer entsprechend hohen Motivation. Zusätzlich muss der Hundehalter u. U. viel Geduld und Muse ins Training stecken, wenn der Hund kein Welpe mehr ist, und eine Vorgeschichte hat. Aber diese Zeitinvestition lohnt sich. Sie gewinnen nicht nur das Vertrauen ihres Hundes, sie bekommen auch einen zuverlässigen Partner, der sich auch in schwierigen Situationen an Ihnen orientieren wird.

Ist der Hund der bessere Mensch, oder der Mensch doch nur ein Tier?

Ja, es wäre schön der Mensch wäre in der Lage Ängste, Stress, Unsicherheiten und sonstige Defizite mit Hilfe einer Tablette oder eines Knopfdrucks abschalten zu können. Aber das schaffen wir ja nicht einmal bei uns selbst, wie soll das bei einem Hund gehen? Wieso erwartet man von Hunden dass sie mit allen Situationen zurechtkommen müssen, in die wir sie werfen? Wieso erwarten wir entspannte Hunde, wenn wir sie in Situationen bringen in denen sie Hilflos überfordert sind und von uns keine Hilfe bekommen? Und wenn der überforderte Hund sich dann nicht den Erwartungen entsprechend verhalten kann, wird er gerügt, statt ihn die Situation entweder von vornherein erträglich zu gestalten oder ihm zu erklären dass alles gar nicht so schlimm ist.

 

Da wird geschimpft, geschlagen und ignoriert, weil der Hund wiedermal aufmüpfig, nervig oder ungehorsam ist, statt hinzusehen und zu erkennen welche Probleme oder Bedürfnisse hinter dem gezeigten Verhalten stecken.

Wir Menschen sind davon überzeugt die intelligenteste Spezies zu sein, mit dem Monopol auf Selbstreflektion und Selbstbewusstsein. Wir sind in der Lage unsere Impulse zu kontrollieren und durch rationales Denken schaffen wir es Emotionen zu unterdrücken.  Stellen Sie sich doch einmal diese Fragen:

  • Wie viele Silvestervorsätze haben Sie geschafft umzusetzen?
  • Haben Sie es geschafft die Schokolade sein zu lassen obwohl Sie wissen dass Sie davon dick werden, Schokolade ungesund ist und Sie Pickel bekommen?

Nein? Auch nicht wenn ihr Partner, zu all dem logischen Denken und Wissen das Sie ohnehin schon haben, Ihnen noch Vorhaltungen gemacht hat? Hatten Sie dann vielleicht sogar mit ihrem Partner Streit weil Ihnen der Geduldsfaden gerissen ist? Sie wissen ja selbst dass ihr Verhalten blöd ist, Sie können es aber nicht lassen und brauchen nicht auch noch jemanden, der Ihnen Ihre Verfehlungen und ihre fehlende Selbstbeherrschung vorhält……

  • Haben Sie schon einmal eine/n Freund/in angeschrien, weil sie gerade überfordert waren?
  • Waren Sie schon einmal ungerecht, weil sie im Stress waren?

Sie gehören aber doch der intelligenten Spezies Mensch an!

  • Würden sie mit einem anderen Menschen Zeit verbringen wollen, wenn sie alles tun müssten was er von ihnen erwartet?

Ist der Hund dann ein besserer Mensch, dass man von ihm erwartet dass er all seine Vorlieben, Interessen und Bedürfnisse immer sofort, ohne Alternative und/oder Motivation abstellen soll? Ist es nicht absurd zu erwarten dass ein Hund sich immer Beherrschen können muss und ihm nie der Geduldsfaden reißen darf? Woher kommt die weit verbreitete Meinung dass ein Hund ein Roboter ist und keine eigenen Bedürfnisse und Gefühle hat?

 

Oftmals liegt es an der Annahme, der Hund wäre ein Befehlsempfänger. Geschuldet der Tatsache, dass Hunde soziale Dominanzhierarchien eingehen. Jedoch wird diese Tatsache überwiegend falsch verstanden und interpretiert wird. Es werden falsche Schlussfolgerungen gezogen. Mehr dazu hier

Schlusswort

Viele Probleme lösen sich von selbst, wenn die Beziehung die man mit dem Hund eingeht, auf beiderseitiger Toleranz, Verständnis und Respekt beruht. Wenn der Mensch auf den Hund eingeht und nicht stoisch seinen eigenen Kopf durchzusetzen versucht. Es gilt ein Miteinander zu schaffen, von dem beide Seiten profitieren können. Sie werden nicht die Kontrolle oder ihren Status verlieren, wenn Sie mit ihrem Hund empathisch, freundlich und nachsichtig umgehen. Sie gewinnen viele wunderschöne Momente mit ihrem Hund, die sie nie erleben werden, wenn Sie stetig damit beschäftigt sind, ihren Alphastatus aufrecht zu erhalten.