Jagdverhalten und Problemhund?

Das Thema Jagdmotivation habe ich in die Rubrik Problemhund gestellt, weil das Verhalten für den Menschen ein Problem darstellt. Jagdmotivation ist jedoch ein ganz natürliches Verhalten und Bedürfnis von Hunden. Es dient der Nahrungsbeschaffung und ist überlebensnotwendig. Aus diesem Grund ist das Jagen für den Hund auch äußerst selbstbelohnend.

Verhaltenskette der Jagd

Das Jagdverhalten besteht nicht nur aus dem hinterher Hetzen des Beutetieres. Die Jagd, die zum überleben benötigt wird, besteht aus mehreren Bestandteilen:

- Suchen (Appetenzverhalten): Stöbern, Spüren, Schauen, Horchen, Erstarren, Vorstehen, Lauern

- Anpirschen und Hetzen (Taxis): der Spur folgen, das Wild verfolgen, Umkreisen

- Endverhalten: Angreifen, Zupacken , Totschütteln, Tötungsbiss, Fressen, Vergraben evtl. Wegtragen und Sichern der Beute

Verändert durch Zucht

Durch gezielte, jahrtausend Jahre lange Zucht und Domestikation, sind bei unseren Haushunden  die einzelnen Sequenzen, genetisch unterschiedlich ausgeprägt . Es fehlen also oftmals Bestandteile der ursprünglichen Verhaltenskette und/oder sie sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Es wurden bestimmte Verhaltensweisen herausgepickt und gefestigt, so dass die Hunde sich auf einen bestimmten Teil der Verhaltenskette spezialisiert haben, andere Bestandteile jedoch oftmals weniger motiviert zeigen. Unterschieden wird zwischen Stöberhunde, Vorstehhunde, Schweißhunde, Erdhunde, Jagende Hunde und Apportierhunde.

JAGDHUNDE RASSEN ARBEITSAUFGABE
Stöberhunde

Deutscher Wachtelhund

Cockerspaniel

Springerspaniel
Kooikerhondje

Die ursprüngliche Aufgabe der Stöberhunde ist, Niederwild aufzustöbern. Er arbeitet weiträumig und gründlich im Gelände sowie selbständig ohne Sichtkontakt zu seinem Führer. Findet der Hund Wild, ertönt der Spurlaut und damit treibt er dem Jäger das Wild vor die Flinte.

Vorstehhunde

Deutsch Kurzhaar

Irish Setter

Weimaraner

Magyar Vizsla

Münsterländer

Vorstehhunde übernehmen alle anfallenden Arbeiten (ausgenommen Bauarbeit) in Feld, Wald und Wasser. Das besondere Verhalten, das diese Hunde auszeichnet, ist das Vorstehen. Ein Vorstehhund, der bei der Suche Witterung des Wildes aufnimmt, unterbricht sein Suchen und bleibt ruckartig stehen. Damit zeigt er dem Jäger Wild an.
Schweißhunde

Hanoverscher Schweißhund

BayerischerGebirgsschweißhund

  Alpenländische Dachsbracke  

Schweißhunde werden speziell zur Nachsuche auf Schalenwild (Paarhufer) eingesetzt, dass verletzt wurde. Der Schweißhund hat einen ausgeprägten Geruchssinn und sucht nach der Wundfährte. Er hat die Aufgabe, sein Herrchen zu dem verletzten oder verendeten Wild zu führen. 
Erdhunde

Dackel

Deutscher Jagdterrier

Foxterrier

Jack Russel Terrier

Erdhunde sind aufgrund ihrer Körpergröße, ihres Arbeitswillen und ihrer Schärfe für die Arbeit im Fuchs- oder Dachsbau bestens geeignet. Ebenso leisten sie bei der Stöberjagd sowie bei der Nachsuchearbeit an wehrhaftem Wild sehr gute Arbeit.     
Jagende Hunde Bracken Der Jagende Hund soll jegliches Wild, durch Suchen im Wald oder Feld,  finden, und es so lange laut zu verfolgen, bis das Wild der Jäger zu Schuß gebracht oder sonst gefangen hat.
Apportierhunde

Golden Retriever

Labrador Retriever

Flat Coated Retriever

Curly Coated Retriever

Dug Tolling Retriever

Apportierhunde werden vor allem auf der Enten- oder Niederwildjagd eingesetzt. Hierbei sind sie Spezialisten für die „Arbeit nach dem Schuss“. Mit dem für sie typischen weichen Maul bringen sie das erlegte Wild zu Ihrem Hundeführer. Typisch für alle Retrieverrassen ist die Wasserfreude und der  Will-to-please.

Hormon- und Endorphincoctail

Jagen zu gehen ist ein selbstbelohnendes Verhalten, bei dem alleine durch die Aktion ein befriedigendes Gefühl erzeugt wird, welches man als Lustempfinden (s. Emotionssysteme Panksepp) bezeichnen kann. Das heißt, auch wenn der Erfolg ausbleibt, kommt der Hund trotzdem in eine absolute Hochstimmung durch einen Hormon- und Endorphincoctail (Adrenalin, Dopamin und Cortisol). Außerdem sorgt der Hormoncoctail für ein herabgesetztes Schmerzempfinden und zur Ausblendung von anderen Umweltreizen. Wäre dem nicht so, wäre das Überleben von verwilderten Hunden gefährdet, weil nicht jede Jagd zum Erfolg führt.

Was löst eine Jagd aus?

Es gibt immer innere und äußere auslösende Faktoren, die eine Jagd antreiben. Das heißt die Bereitschaft des Hundes (innerer Faktor), nach Reizen (äußerer Faktor) zu suchen. Äußere Faktoren sind Wildgeruch, Wildsichtung und Geräusche.

Warum Jagdverhalten kein Trieb ist

  • Jagdverhalten wird nicht nur aus einem inneren Antrieb heraus ausgelöst, sondern von inneren und äußeren Faktoren
  • ein Trieb kann nicht kontrolliert werden, der Hund (auch jedes andere Raubtier) ist in der Lage nicht zu jagen, auch wenn äußere Faktoren vorhanden sind.
  • Jagdverhalten besteht aus mehreren Sequenzen (Handlungskette)
  • bestimmte Sequenzen werden von einem Gen gesteuert

Wenn der Hund trotzdem unkontrolliert Jagd

Es gibt Hunde, die wie Junkies ständig unter Dauerstrom stehen wenn sie draußen unterwegs sind. Sichtjäger verwenden die Jagd oftmals als Bewältigungsstrategie, um z. Bsp. Stress abzubauen. Stressauslöser könnten Über- oder Unterforderung sein. Daher sollte erstmals darauf geachtet werden, ob der Hund evtl. gestresst ist und diesen zu reduzieren, bevor man am Jagdverhalten selbst übt (siehe dazu Thema Stress)

 

  • je weiter der Hund in der Verhaltenskette fortgeschritten ist, desto schwieriger ist es den Hund kontrollieren oder umzulenken zu können. Das heißt man sollte Jagdverhalten lernen frühzeitig zu erkennen und zu handeln um den Hund die Möglichkeit der Verhaltensänderung zu geben.
  • Zu Beginn der Verhaltenskette ist die Frustrationstoleranz höher, als im fortgeschrittenen Stadium. Die Frustrationstoleranz kann man schon im Welpenalter trainieren. Jeder Hund unterscheidet sich darin, wie gut er mit Frust und Enttäuschung umgehen kann.
  • Mäusejagd ist ein anderer Bewegungsablauf als der vom klassischen Jagdverhalten. Die Sequenzen wie zum Beispiel das Hetzen und das Verfolgen einer Fährte entfallen fast ganz komplett. Durch Mäusejagen wird das höhere Jagdverhalten NICHT gefördert und verstärkt. Aber es macht den Hund glücklich und er kann hier auch wieder Stress abbauen.
  • Jagdverhalten hat nichts mit Bindung zu tun. Durch eine gute Bindung kann man jedoch den Kontakt zu seinem Hund eher herstellen und ihn evtl. überzeugen, nicht zu jagen oder seinen Menschen in die Jagd mit einzubeziehen….
  • Da die meisten Hunde auf spezielle Verhaltensketten selektiert wurden, kann man diese Nutzen um den Hund ansprechbar zu machen. So kann man kurzes Stehenbleiben bei Vorstehern und deren Mischlingen loben um sich dieses Verhalten länger zeigen zu lassen. So gewinnt man Zeit. Das Vorstehen kann jedoch auch bei allen anderen Hunden meist gut trainiert werden.
  • Das Erkennen und Loben wenn ein Hund eine Fährte aufnimmt, kann ebenso Zeit verschaffen und den Hund dazu bewegen mit einem zu arbeiten und die Fährte ggf. auch abzubrechen.
  • Je nachdem welcher Jagdhundrasse, beziehungsweise welchen Mixes der Hund angehört, kann es leichter und schwerer sein den Hund zur Kooperation mit dem Menschen zu bewegen. Hunde die zur selbstständigen Jagd gezüchtet wurden wie Beispielsweise Bracken oder Dackel, gehen nicht so leicht eine Kooperation ein, wie Hunde die zur Kooperationsjagd gezüchtet wurden.
  • Typgerechte Auslastung anzubieten, hilft dem Hund sich in akuten Situationen zurückzunehmen. Bei Hunden die hauptsächlich Freude an der Fährtenarbeit haben, kann das z. B. das Futtersuchen sein. Bei Hunden die hauptsächlich auf Sicht jagen Beispielsweise das Hetzen eines Balles oder das Fangen von Futterstückchen.

Bei der Jagd spielt Aggression keine Rolle

Bei der Jagd ist das seitliche Zwischenhirn, der Hirnstamm und die Muskulatur aktiv. Bei der Aggression jedoch der Hirnboden, das Limbische System und die Hormondrüsen. Emotionen und Kognition bleiben weitestgehend außen vor bei der Jagd.

Jagdauslösend sind die Teile des Gehirns, die auch eine Epilepsie auslösen können, weswegen ein jagen von nicht vorhanden Fliegen oftmals ein Früherkennungszeichen für latent vorhandene Epilepsie ist.

Warum man mit Strafe nicht weit kommt

Der Hund wurde im laufe der Zeit immer auf Jagd gezüchtet. Das Jagen ist genetisch tief verankert. Man kann es unter Umständen mit massiven Strafreizen unterdrücken, lässt der Druck jedoch nach, zeigt der Hund sofort wieder jagdlich ambitioniertes Verhalten. Das bedürfnis wird hier nicht befriedigt, es wird unterdrückt. Es ist jedoch nach wie vor vorhanden. Durch das unterdrücken des Bedürfnisses entsteht Frust und in Folge auch Stress. Beide Faktoren reduzieren die Frustrationstoleranz des Hundes, wodurch er sich immer schlechter beherschen kann oder andere unerwünschte Verhaltensweisen entsehen, in denen dieser Frust und Stress abgebaut wird. Möglich ist auch dass durch ein unterdrücken der Bedürfnisse Krankheiten entstehen, beispielsweise des Verdauungstraktes.

 

Zum entspannten miteinander, Kooperation

Beobachtet euren Hund und versucht zu erkennen was ihn gerade interessiert.

  • Zeigt er beispielsweise Interesse an einer Fährte, wittert er nach Wild? Dann verstärkt dieses Verhalten indem ihr ihn in diesem Moment dafür lobt. Der Hund soll uns zeigen dass er etwas gewittert hat. Das gibt uns zum einen die Möglichkeit zu aggieren und der Hund bekommt eine geistige Verbindung zu seinem Menschen. Das Bedürfnis die Spur zu verfolgen kann man dann gemeinsam erfüllen, indem man den Hund anleint und der Spur ein Stück nachgeht. Natürlich nur solang keine Wildtiere gestört werden. Dies führt dann auch dazu, dass sich der Hund gerne anleinen lässt, weil er für sich verknüpft, mit der Leine gehen wir gemeinsam jagen.Wie lange man einer Spur nachgehen kann, ist individuell von Hund zu Hund unterschiedlich. Als Referenz kann man die Ansprechbarkeit des Hundes nehmen. Ist der Hund nicht mehr ansprechbar, ist er zu aufgeregt und man sollte spätestens jetzt die Suche beenden. Beendet man die Suche, wird der Hund für die getane Arbeit auch wieder gelobt. Gerne auch hier mit Futter, denn die natürliche Jagd ist immer dann beendet, wenn der Hund die Beute frisst. So wird der Hund heruntergefahren und die Jagd abgeschlossen.
  • Sieht der Hund Beute, steht er normalerweise einen kurzen Moment. Auch dieser kurze Moment wird gelobt und verstärkt. Dadurch wird der kurze Moment des Stehenbeleibens immer länger vom Hund gezeigt. Als Belohnung für dieses Verhalten eigenen sich besonders Hetz- und Fangspiele wie ein fliegender Ball (natürlich in die andere Richtung), ein Zergel zum zerren oder geworfenes Futter. Man kann auch Fangspiele mit seinem Hund spielen. 
  • Die Belohnung muss für den Hund auch wirklich eine Belohnung sein und sehr hochwertig sein. Gut ist auch wenn der Hund entsprechend des Bedürfnisses, welches er hat, belohnt wird. Es reicht natürlich nicht, dem Hund den Ball zu werfen und dann zu meinen diese Belohnung ist für den Hund ausreichend als Ersatz fürs hetzen. Die Belohnung sollte auch zeitlich zu dem Reiz passen.

Grundaufbau für einen abrufbaren Hund

  • Stress zuhause und bei Spaziergängen reduzieren.
  • Arbeiten an der Impulskontrolle. Impulskontrolle gibt dem Hund die Möglichkeit Dingen die er gerade machen möchte, nicht nachzugehen und die Situation auszuhalten.
  • Markersignal/e aufbauen um erwünschtes Verhalten (auf Distanz) bestätignen zu können.
  • Aufbau des doppelten Rückrufs
    • Supersignal für den Rückruf
    • Umorientierungssignal
  • Bedürfnisse des Hundes wahrnehmen und bedienen um Frust und damit einhergehenden Stress zu verhindern

Belohnungen

Wie vorher schon geschrieben, die Belohnung muss eine Belohnung für den Hund sein. Achtet da sehr darauf, ob der Hund das was ihr als Belohung verwendet, auch als Belohnung empfindet. Macht euch eine Liste mit Dingen die euer Hund toll findet, woran er Spaß hat.

  • Ball, Frisbee werfen
  • zergeln
  • Futter kegeln
  • Futter (Käse, Leberkäse, Leberwursttube, Katzenfutter, Schweineohr etc.)
  • Fährten ausarbeiten
  • über eine Wiese rennen
  • buddeln
  • fangen spielen
  • lauern
  • Futterbeutel suchen lassen
  • baden gehen
  • streicheln (vorsicht: viele Hunde mögen gerne zuhause gestreichelt werden, beim Spaziergang jedoch nicht)
  • verbales Lob
  • und viele mehr

Weiterführende Links

https://dogitright.de/so-belohnst-du-deinen-jagdbegeisterten-hund-richtig/

Viele tolle Videos gibt es auch bei "Hey-Fiffi.com".